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Der Magier im Kreml

Author/Uploaded by Da Empoli, Giuliano

Giuliano da Empoli DER MAGIER IM KREML Roman Aus dem Französischen von Michaela Meßner C.H.BECK Zum Buch Man nennt ihn den «Magier im Kreml». Der rätselhafte Vadim Baranow war Regisseur und Produzent von Reality-TV-Shows, bevor er zur grauen Eminenz von Putin wird. Nachdem er als politischer Berater von der Bühne verschwindet, werden immer mehr Legenden über ihn verbreitet. Bis er eines Nachts de...

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Giuliano da Empoli DER MAGIER IM KREML Roman Aus dem Französischen von Michaela Meßner C.H.BECK Zum Buch Man nennt ihn den «Magier im Kreml». Der rätselhafte Vadim Baranow war Regisseur und Produzent von Reality-TV-Shows, bevor er zur grauen Eminenz von Putin wird. Nachdem er als politischer Berater von der Bühne verschwindet, werden immer mehr Legenden über ihn verbreitet. Bis er eines Nachts dem Ich-Erzähler dieses Buches, der seit Langem in Moskauer Archiven forscht, seine Geschichte anvertraut … Dieser Roman führt uns ins Zentrum der russischen Macht, wo permanent Intrigen gesponnen werden. Und wo Vadim, der zum wichtigsten Spindoktor des Regimes geworden ist, ein ganzes Land in ein politisches Theater verwandelt, in dem es keine andere Realität als die Erfüllung der Wünsche des Präsidenten gibt. Doch Vadim ist kein gewöhnlicher Ehrgeizling: Der Regisseur, der sich unter die Wölfe verirrt hat, gerät immer tiefer in die Machenschaften des Systems, das er selbst mit aufgebaut hat, und wird alles daransetzen, um dort wieder herauszukommen. Er nimmt den Erzähler mit auf eine Reise ins Herz der Finsternis. «Der Magier im Kreml» ist ein großer Roman über das zeitgenössische Russland und die Entstehung seiner medial inszenierten und vollkommen fiktiven, aber auch tödlichen Realität, einem Imperium der Lüge. Er enthüllt nicht nur die Hintergründe der Putin-Ära, sondern bietet auch eine hellsichtige Betrachtung über die Macht. Über den Autor Giuliano da Empoli ist ein italo-schweizerischer Schriftsteller und Wissenschaftler. Er ist der Gründer von Volta, einem pro-europäischen Think Tank mit Sitz in Mailand, und Professor für Vergleichende Politikwissenschaft an der Sciences-Po Paris. Zuvor war er stellvertretender Bürgermeister für Kultur in Florenz und Berater des italienischen Ministerpräsidenten Renzi. Er ist Autor zahlreicher, international veröffentlichter Essays, darunter zuletzt «Ingenieure des Chaos» (2020) über neue Propagandatechniken, das auch ins Deutsche übersetzt wurde. «Der Magier im Kreml» ist sein erster Roman. Über die Übersetzerin Michaela Meßner lebt als Literaturübersetzerin in München und hat u.a. Werke von Alexandre Dumas, Anne und Emily Brontë, César Aira und Négar Djavadi ins Deutsche übertragen. 1992 erhielt sie den Raymond-Aron-Preis. Inhalt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 Danksagung Zitatnachweis Für Alma Das Leben ist eine Komödie. Man muss sie ernsthaft spielen. Alexandre Kojève 1 Es kursierten schon lange die unterschiedlichsten Gerüchte über ihn. Manche sagten, er habe sich in ein Kloster auf dem Berg Athos zurückgezogen, um zwischen Steinen und Eidechsen zu beten, andere schworen, ihn in einer Villa in Sotogrande gesehen zu haben, umschwärmt von vollgekoksten Models. Wieder andere behaupteten, sie seien auf der Startbahn des Flughafens von Schardscha, im Hauptquartier der Donbass-Milizen oder in den Ruinen von Mogadischu auf seine Spuren gestoßen. Seit Wadim Baranow sein Amt als Berater des Zaren niedergelegt hat, haben sich die Geschichten über ihn nicht in Luft aufgelöst, sondern vervielfacht. So ist das manchmal. Die meisten Machtmenschen beziehen ihre Aura aus der Position, die sie innehaben. Sobald sie diese verlieren, ist es, als habe man ihnen den Stecker gezogen. Sie fallen in sich zusammen wie die Puppen vor den Vergnügungsparks. Man begegnet ihnen auf der Straße und kann nicht verstehen, warum so unbedeutende Menschen so große Leidenschaften wecken konnten. Baranow gehörte einer anderen Spezies an. Auch wenn ich beim besten Willen nicht sagen könnte, welcher. Auf Porträtfotos erblickte man einen kräftigen, wenngleich wenig athletischen Mann, der nahezu immer dunkle Farben und Anzüge trug, die ihm etwas zu groß waren. Er hatte ein unscheinbares, geradezu kindliches Gesicht, einen blassen Teint, schwarze, sehr glatte Haare und eine Erstkommunionsfrisur. In einem Video, das bei irgendeinem offiziellen Treffen aufgenommen wurde, sah man ihn lachen, was in Russland, wo schon ein einfaches Lächeln als Zeichen von Schwachsinn gilt, höchst selten ist. Tatsächlich erweckte er den Eindruck, nicht sonderlich auf seine äußere Erscheinung zu achten. Ein seltsamer Zug, wenn man bedenkt, dass genau das seine Aufgabe war: Spiegel im Kreis aufzustellen, um aus einem Fünkchen die größte Zauberwirkung zu schlagen. Baranow bewegte sich in einer Wolke von Rätseln durchs Leben. Die einzige mehr oder minder gesicherte Tatsache war sein Einfluss auf den Zaren. In den fünfzehn Jahren, die er in dessen Diensten stand, hat er entscheidend zum Aufbau seiner Macht beigetragen. Man nannte ihn den «Magier im Kreml», den «neuen Rasputin». Damals war seine Rolle nicht scharf umrissen gewesen. War das Tagesgeschäft abgewickelt, tauchte er im Büro des Präsidenten auf. Dabei hatten ihn die Sekretäre gar nicht benachrichtigt. Vielleicht rief ihn der Zar höchstpersönlich über eine Direktleitung an. Oder aber er selbst erriet den genauen Zeitpunkt, dank jener außerordentlichen Fähigkeiten, die in aller Munde waren, von denen aber niemand genau sagen konnte, worin sie eigentlich bestanden. Manchmal gesellte sich jemand zu ihnen. Ein beliebter Minister etwa oder der Chef eines Staatsunternehmens. Doch da in Moskau grundsätzlich niemand jemals etwas sagt, und das schon seit Jahrhunderten, konnte die Anwesenheit dieser gelegentlichen Zeugen auch kein Licht auf die nächtlichen Aktivitäten des Zaren und seines Beraters werfen. Es kam jedoch vor, dass man über die Folgen aufgeklärt wurde. Eines Morgens erfuhr Russland beim Erwachen, der reichste und bekannteste Geschäftsmann des Landes, das Symbol des neuen kapitalistischen Systems, sei verhaftet worden. Ein andermal waren alle vom Volk gewählten Präsidenten der Republiken der Russischen Föderation entlassen worden. Von nun an würde der Zar und niemand sonst sie ernennen, hatten die ersten Morgennachrichten den noch im Halbschlaf liegenden Bürgern verkündet. Meist blieben die Folgen dieser schlaflosen Nächte allerdings unsichtbar. Erst Jahre später stellte man Veränderungen fest, die völlig natürlich erschienen, obwohl sie in Wirklichkeit das Ergebnis gründlicher Arbeit waren. In jenen Jahren war Baranow sehr zurückhaltend. Er trat nie in Erscheinung und ein Interview zu geben kam ihm nicht in den Sinn. Eine Angewohnheit hatte er jedoch angenommen. Hin und wieder schrieb er etwas, entweder einen kleinen Essay, den er in einer obskuren unabhängigen Zeitschrift veröffentlichte, oder eine Studie über Militärstrategie für die Spitzen der Armee, manchmal sogar eine Erzählung, in der er in bester russischer Tradition einen Hang zum Paradoxen bewies. Er zeichnete diese Texte nie

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