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Ein Fall für Gamache 16 - Die Reise nach Paris

Author/Uploaded by Penny, Louise


 
 Louise Penny
 Die Reise nach Paris
 Der 16. Fall für Gamache
 Roman
 
 
 Aus dem kanadischen Englisch von Andrea Stumpf und Gabriele Werbeck
 
 
 Kampa
 
 
 Für Hope Dellon,
 eine hervorragende Lektorin und eine noch bessere Freundin.
 Das Gute gibt es.
 
 
 
 1
 
 »D
 ie Hölle ist leer«, sagte Stephen...

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 Louise Penny
 Die Reise nach Paris
 Der 16. Fall für Gamache
 Roman
 
 
 Aus dem kanadischen Englisch von Andrea Stumpf und Gabriele Werbeck
 
 
 Kampa
 
 
 Für Hope Dellon,
 eine hervorragende Lektorin und eine noch bessere Freundin.
 Das Gute gibt es.
 
 
 
 1
 
 »D
 ie Hölle ist leer«, sagte Stephen Horowitz.
 »Das hast du schon mal gesagt. Und alle Teufel sind hier?«, fragte Armand Gamache.
 »Nun ja, das nicht unbedingt«, Stephen breitete die Arme aus, »also nicht genau hier.«
 »Hier«, das war der Garten des Musée Rodin in Paris, wo Armand und sein Patenonkel ein paar ruhige Minuten verbrachten. Von jenseits der Mauern war Verkehrslärm zu hören, das Getöse der großen Stadt.
 Hier jedoch herrschte Frieden. Der tiefe Frieden, der sich nicht nur mit Stille, sondern auch mit Vertrautheit einstellt.
 Mit dem Bewusstsein, in Sicherheit zu sein. In diesem Garten. In der Gesellschaft des anderen.
 Armand reichte seinem Begleiter ein tartelette au citron,
 dann ließ er den Blick über den Garten schweifen. Es war ein angenehm warmer Nachmittag Ende September. Die Schatten streckten sich, wurden länger. Strebten davon.
 Das Licht obsiegte.
 Kinder rannten herum und jagten lachend über die lange Rasenfläche vor dem Château. Junge Eltern sahen von den Holzbänken aus zu, die im Laufe der Jahre ergraut waren. Wie die Eltern es schließlich auch tun würden. Aber jetzt saßen sie entspannt da, glücklich über ihre Kinder und noch glücklicher, dass sie an diesem geschützten Ort einige Minuten für sich hatten.
 
 An einem solchen Ort ließ sich der Teufel nur schwer vorstellen.
 Andererseits, dachte Armand Gamache, wo sonst fand man Finsternis, wenn nicht im Licht? Gab es einen größeren Triumph für das Böse, als sich eines Gartens zu bemächtigen?
 Es wäre nicht das erste Mal.
 »Erinnerst du dich?«, begann Stephen, und Armand sah wieder zu dem alten Mann neben sich. Er wusste, was jetzt kam. »Als du beschlossen hast, um Reine-Maries Hand anzuhalten?« Stephen klopfte auf die Bank. »Hier. Ausgerechnet hier.«
 Armand verstand die Anspielung und lächelte.
 Die Geschichte war hinlänglich bekannt. Stephen erzählte sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit, auf jeden Fall immer, wenn Patenonkel und Patensohn hierherpilgerten.
 Es war ihr Lieblingsort in Paris.
 Der Garten des Musée Rodin.
 Gab es einen schöneren Ort, um Reine-Marie einen Heiratsantrag zu machen?, hatte sich der junge Armand vor vielen Jahren gedacht. Er hatte den Ring. Er hatte sich die Worte zurechtgelegt. Er hatte die Reise sechs Monate lang von seinem lausigen Gehalt als Polizist bei der Sûreté du Québec zusammengespart.
 Er wollte mit der Frau, die er liebte, an den Ort, den er liebte. Und sie bitten, den Rest ihres Lebens mit ihm zu verbringen.
 Sein Reisebudget gab kein Hotelzimmer her, also würden sie in einem Hostel übernachten müssen. Aber er wusste, dass Reine-Marie so etwas nichts ausmachte.
 Sie waren verliebt, und sie waren in Paris. Und schon bald würden sie verlobt sein.
 Aber wieder einmal eilte Stephen zu seiner Rettung herbei und überließ dem jungen Paar seine herrliche Wohnung im 7
 . Arrondissement.
 
 Nicht zum ersten Mal kam Armand dort unter.
 Er war in diesem wunderschönen Haussmann-Gebäude praktisch groß geworden. Die Zimmer der riesigen Wohnung hatten bodentiefe Fenster, die zum Hotel Lutetia hinaussahen, Fischgrätparkett und Marmorkamine, und die Decken waren so hoch, dass jeder Raum hell und luftig wirkte.
 Mit ihren vielen Winkeln und Nischen war sie ein wahres Paradies für ein neugieriges Kind, und er war davon überzeugt, dass der Schrank mit den Scheinschubladen einzig und allein dem Zweck diente, dass sich ein kleiner Junge darin verstecken konnte. Außerdem gab es überall Schätze, mit denen man spielen konnte, wenn Stephen nicht hinsah.
 Und Möbel, auf denen man herumhüpfen konnte.
 Bis sie kaputtgingen.
 Stephen sammelte Kunst, und jeden Tag wählte er aus seiner Sammlung ein Werk aus und erzählte seinem Patensohn etwas über den Künstler. Cézanne. Riopelle und Lemieux. Kenojuak Ashevak.
 Mit einer Ausnahme.
 Das winzige Aquarell, das auf Augenhöhe eines Neunjährigen hing. Stephen sprach nie darüber, vor allem weil es darüber nicht viel zu sagen gab, wie er Armand einmal erklärte. Verglichen mit den anderen war es nicht gerade ein Meisterwerk. Dennoch war etwas Besonderes daran.
 Wenn sie müde von einem Tag in der großen Stadt zurückkehrten, verschwand Stephen in der engen Küche und bereitete chocolat chaud
 zu, während der kleine Armand zu den Bildern ging.
 Unweigerlich fand Stephen den Jungen jedes Mal vor dem kleinen Aquarell vor, als stünde er vor einem Fenster, hinter dem ein kleines Dorf in einem stillen Tal lag.
 »Das ist wertlos«, hatte Stephen gesagt.
 Ob wertlos oder nicht, es war das Lieblingsbild des jungen Armand. Bei jedem Besuch kehrte er dorthin zurück. 
 Instinktiv wusste er, dass etwas, das einem einen solchen Frieden schenkte, großen Wert besaß.
 Und er vermutete, dass auch sein Patenonkel es so empfand. Sonst hätte er das Bild nicht zu all den Meisterwerken gehängt.
 Wenige Monate nachdem Armands Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, hatte Stephen den Neunjährigen das erste Mal mit nach Paris genommen. Gemeinsam waren sie durch die Stadt spaziert. Schweigend, damit der stille kleine Junge seinen Gedanken nachhängen konnte.
 Irgendwann hatte Armand den Kopf gehoben und angefangen, seine Umgebung zu erfassen. Die breiten Boulevards, die Brücken. Notre-Dame, den Eiffelturm, die Seine. Die Brasserien, vor denen die Pariser an runden Marmortischen saßen und Espresso, Bier oder Wein tranken.
 An jeder Straßenkreuzung nahm Stephen seine Hand und hielt sie fest, bis sie sicher auf der anderen Seite waren.
 Langsam begriff der junge Armand, dass er in Sicherheit war, dass er bei diesem Mann immer in Sicherheit sein würde. Dass er es auf die andere Seite schaffen würde.
 Und langsam, ganz langsam kehrte er ins Leben zurück.
 Hier. In Paris.
 Eines Morgens hatte sein Patenonkel dann gesagt: »Heute, garçon
 , gehen wir an meinen Lieblingsort in ganz Paris. Und danach essen wir ein Eis im Lutetia.«
 Sie waren den Boulevard Raspail entlangspaziert und links in die Rue de Varenne eingebogen. An den Läden und Patisserien vorbei. Armand blieb vor den Schaufenstern stehen und betrachtete die Mille-feuilles, Madeleines

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