Author/Uploaded by Müller, Titus
Das Buch Herbst 1989: Während sich die Regierung auf die Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR vorbereitet, wächst in der Bevölkerung angesichts manipulierter Wahlen und der sich verschlechternden Wirtschaftslage der Unmut. In Ostberlin trifft die Krankenschwester Annie ihre Jugendliebe Michael wieder. Beeindruckt von seinem politischen Engagement, schließt sie...
Das Buch Herbst 1989: Während sich die Regierung auf die Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR vorbereitet, wächst in der Bevölkerung angesichts manipulierter Wahlen und der sich verschlechternden Wirtschaftslage der Unmut. In Ostberlin trifft die Krankenschwester Annie ihre Jugendliebe Michael wieder. Beeindruckt von seinem politischen Engagement, schließt sie sich der Protestbewegung an – und zieht so die Aufmerksamkeit der Stasi auf sich. In Dresden bekommt der KGB -Agent Sascha einen neuen Partner zugeteilt, den er nicht einschätzen kann. Wladimir Putin ist bestens vernetzt und scheint überall seine Finger im Spiel zu haben. Aber welche Pläne verfolgt er in der DDR wirklich? In Westberlin führt die einstige Spionin Ria seit ihrer Flucht aus der DDR ein weitgehend ruhiges Leben. In ihre alte Heimat kann und will sie nicht zurückkehren. Doch ein Hilferuf ihrer Tochter Annie verändert alles. Ria macht sich bereit für einen letzten Auftrag im geteilten Deutschland. Der Autor Titus Müller, geboren 1977, studierte Literatur, Geschichtswissenschaften und Publizistik. Mit 21 Jahren gründete er die Literaturzeitschrift Federwelt und veröffentlichte seither mehr als ein Dutzend Romane. Er lebt mit seiner Familie in Landshut, ist Mitglied des PEN -Clubs und wurde u. a. mit dem C.S.-Lewis-Preis und dem Homer-Preis ausgezeichnet. Seine Trilogie um »Die fremde Spionin« brachte ihn auf die SPIEGEL -Bestsellerliste und wird auch von Geheimdienstinsidern gelobt. Lieferbare Titel Der Kalligraph des Bischofs Die Brillenmacherin Die Todgeweihte Die Jesuitin von Lissabon Nachtauge Berlin Feuerland Der Tag X Die goldenen Jahre des Franz Tausend Die fremde Spionin Das zweite Geheimnis TITUS MÜLLER Der letzte Auftrag ROMAN WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. 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Liedtext Ernst Hansen, »Herr deine Liebe ist wie Gras und Ufer« mit freundlicher Genehmigung der Strube Verlag GmbH, München ADN -Meldung Mitteilung der Presseabteilung des Ministerium des Innern zitiert aus Neues Deutschland , 11.10.1989, Seite 2 © 2023 by Titus Müller Copyright © 2023 dieser Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Vermittelt durch die Literarische Agentur Michael Gaeb Redaktion: Gunnar Cynybulk Umschlaggestaltung: favoritbuero, München, unter Verwendung von Motiven von © Vintage Germany (Karen Meyer-Rebentisch) und © Shutterstock.com (Vidal25) Klappe U2: favoritbuero, München, unter Verwendung eines Motivs von © shutterstock.com /Peteri Satz: KCFG – Medienagentur, Neuss ISBN: 978-3-641-27070-4 V001 www.heyne.de 1 Dieses Zimmer, in dem sich entschied, ob sich die Lebenszeit der Kinder nur in Tagen bemaß oder in Jahrzehnten, war der einzige Ort auf der Welt, an dem Annie glücklich war. Die Inkubatoren rauschten leise. Sie strahlten Wärme ab. Der Sauerstoff, den sie an die Säuglinge verströmten, war kein Allheilmittel. Dosierte man ihn zu hoch, erblindeten die Kinder. Annie beugte sich im ultravioletten Licht der Lampen über eine Couveuse. Luisa war jetzt acht Tage alt, sie bekam zum ersten Mal Vitamin D. Aus einer Ampulle verabreichte Annie ihr einen Tropfen Dekristol in öliger Lösung. Das Kind in der nächsten Couveuse hatte heute früh eine Lungenblutung erlitten, ihm war schaumiges Sekret aus Mund und Nase gedrungen. Annie hatte ihm vorsichtig Mundhöhle, Rachenraum und Luftröhre abgesaugt, und der Arzt hatte intramuskulär Vitamin K gespritzt. Sie wusste, es brauchte Ruhe. Es war noch nicht verloren. Erschöpft lag es da und schlief. Einige der Kinder waren so winzig, dass Annie sie in einer Hand halten konnte. Manche hatten Fehlbildungen, die liebte Annie noch mehr. Sie tunkte den Wattetupfer in die blaue Lösung und pinselte Kathleens weiße Soorflecken ein, sie wucherten als Nebenwirkung des Antibiotikums. Kathleen sah sie aus staunenden hellen Augen an. »Ihr werdet viel zu wenig berührt«, sagte Annie und streichelte ihr den Bauch. Die Hautabszesse bei Lukas waren ein schlechtes Zeichen, seine Widerstandskraft war zu gering. Er würde noch eine Bluttransfusion brauchen. Sie desinfizierte vorsichtig seine Haut, tupfte sie trocken und gab ein antibiotisches Puder darauf. Ihre Ziehmutter Helga war ein einziges Mal wirklich nett zu ihr gewesen. Da war Annie klein gewesen, sie waren zu Besuch in Magdeburg, und eine Kolonne sowjetischer Armeefahrzeuge donnerte vorüber, die Panzerketten zerschrammten das Straßenpflaster, und die Dieselmotoren dröhnten, und die Stiefmutter hatte gesagt: »Wenn du Angst hast, nimm meine Hand.« Jetzt nahm sie Lukas’ Hand. Er war schon wieder so gelb. Sie strich sanft über seinen kleinen Handrücken. Er musste sondiert werden, obwohl er doch schon selbst getrunken hatte. Auch wenn eine nicht ausgereifte Leber bei Frühgeborenen häufig war, machte sie sich Sorgen. Lagerte sich der Gallenfarbstoff im Hirnstamm ab, konnte es schwere neurologische Störungen geben. Beim nächsten Kind jubilierte sie im Stillen. Sarah wog über zweitausendfünfhundert Gramm. Man würde sie morgen nach Hause entlassen. Annie kitzelte ihr die Fußsohlen. »Bist du meine süße Sarah? Bist du meine Süße?« Die Stationsschwester betrat den Raum. Sie warf Annie einen tadelnden Blick zu. »Du bist nicht zum Spaß hier. Füttern, wickeln. Vor dem Schichtwechsel musst du durch sein.« Draußen hörte sie das Telefon klingeln. Sie hörte, wie die Schwesternschülerin sagte: »In Ordnung, wir kommen.« Ein Ruf der Entbindungsabteilung. Ein Frühchen war geboren worden. Annie sagte: »Ich gehe.« Jetzt wechselte der Gesichtsausdruck der Stationsschwester. »Annie, du solltest nicht –« »Ich gehe!« Sie nahm draußen den Wäschekorb, den die Schwesternschülerin gerade mit Wärmflaschen ausstattete. Kopfkissen, Decke, eine Mullwindel als Kopfstütze und eine als Schulterstütze lagen bereits darin. Annie fragte: »Ist die Sauerstoffflasche gefüllt?« Die Schülerin bestätigte. Sie nahm die Bereitschaftstasche, das Gewicht passte, es war sicher alles drin, Handbeatmungsgerät, Endotrachealtuben, steriler Mull zum Dazwischenlegen bei erforderlicher Mund-zu-Mund-Beatmung, Laryngoskop. »Wärmt schon mal
Author: Brenda Trim; Tia Didmon
Year: 2023
Views: 3348
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