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Der letzte Sessellift

Author/Uploaded by John Irving


 
 
 
 
 
 
 John Irving
 
 
 Der letzte Sessellift
 
 
 Roman
 Aus dem Amerikanischen von Anna-Nina Kroll und Peter Torberg
 
 Diogenes
 
 
 
 
 Für Dean Cooke
 
 
 
 
 
 Nein, muss ich sterben,
 Grüß’ ich die Finsternis als meine Braut
 Und drücke sie ans Herz!
 
 
 Wi...

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 John Irving
 
 
 Der letzte Sessellift
 
 
 Roman
 Aus dem Amerikanischen von Anna-Nina Kroll und Peter Torberg
 
 Diogenes
 
 
 
 
 Für Dean Cooke
 
 
 
 
 
 Nein, muss ich sterben,
 Grüß’ ich die Finsternis als meine Braut
 Und drücke sie ans Herz!
 
 
 William Shakespeare, Maß für Maß,
 III
 , 1
 .
 
 
 
 
 
 
 
 1
 . AKT
 
 Frühe Anzeichen
 
 
 
 
 1
 
 Ein nicht gedrehter Film
 
 
 M
 eine Mutter gab mir den Namen Adam, Sie wissen schon, nach wem. Sie sagte immer, ich sei ihr Ein und Alles. Ich habe ein paar Namen verändert, aber nicht meinen und auch nicht den des Hotels. Das Hotel Jerome
 gibt es wirklich – ein großartiges Haus. Falls Sie je nach Aspen kommen, sollten Sie dort übernachten, wenn Sie es sich leisten können. Aber wenn Ihnen dort Ähnliches widerfährt wie mir, sollten Sie ausziehen. Geben Sie nicht dem Hotel Jerome
 die Schuld.
 Ja, es gibt dort Gespenster. Und nein, damit meine ich nicht die, von denen Sie vielleicht schon gehört haben: den nicht angemeldeten Gast in Zimmer 310
 , ein ertrunkener Zehnjähriger, der vor Kälte zittert, schnell wieder verschwindet und nur nasse Fußspuren hinterlässt; den liebeskranken Silberschürfer, dessen nächtliches Schluchzen man hört, wenn er durch die Flure streift; das hübsche Zimmermädchen, das in einem nahe gelegenen Tümpel durchs Eis brach und (ungeachtet der Tatsache, dass es danach an einer Lungenentzündung starb) gelegentlich erscheint, um die Betten aufzudecken. Das sind nicht die Gespenster, die ich üblicherweise sehe. Ich sage nicht, dass es sie nicht gibt, aber mir sind sie kaum je begegnet. Nicht jedes Gespenst wird von allen gesehen.
 Meine Gespenster sehe ich ganz deutlich – sie sind für mich ganz real. Ich habe ein paar ihrer Namen verändert, aber nichts von dem, was sie ausmacht.
 Ich kann Gespenster sehen, aber nicht jeder kann das. Und die Gespenster selbst? Was ist ihnen eigentlich passiert? Ich meine, 
 wie sind sie zu Gespenstern geworden? Nicht jeder, der stirbt, wird zum Gespenst.
 Jetzt wird es kompliziert, denn natürlich ist nicht jedes Gespenst tot. In bestimmten Fällen kann man ein Gespenst und doch noch halb lebendig sein – es ist nur ein wesentlicher Teil von einem gestorben. Ich frage mich, wie viele dieser halb lebendigen Gespenster wissen, was in ihnen 
 
 
 2
 
 Erste Liebe
 
 
 V
 on Aspen hörte ich zum ersten Mal von meiner Mutter; sie war es, die in mir den Wunsch weckte, das Hotel Jerome
 zu sehen. Es ist meiner Mutter zu verdanken (oder ihre Schuld), dass ich nach Aspen gefahren bin – und es ist ihr zu verdanken (oder ihre Schuld), dass ich es so lange vor mir hergeschoben habe.
 Ich dachte immer, meine Mutter würde das Skifahren mehr lieben als mich. Was wir als Kinder glauben, formt uns; was uns in der Kindheit und Jugend ängstigt, kann uns später auf Abwege führen, aber ich nehme es meiner Mutter nicht übel, dass sie das Skifahren ihre erste Liebe genannt hat. Sie hat ja nicht gelogen.
 Meine Mutter war eine hervorragende Skifahrerin, auch wenn sie das selbst nie gesagt hätte. In meiner Kindheit hieß es immer nur, sie habe nie einen Wettkampf gewonnen; deshalb hielt sie ihre Fahrkünste seitdem für »eher mittelprächtig«. Meine Mutter war nicht verbittert, weil es mit dem Profisport nicht geklappt hatte, und arbeitete ihr Leben lang als Skilehrerin; am liebsten unterrichtete sie kleine Kinder und Anfänger. Ich hörte von ihr nie auch nur eine einzige Klage über ihre Körpergröße – von meiner Großmutter und Tante Abigail und Tante Martha, den älteren Schwestern meiner Mutter, dafür umso häufiger.
 »Geschwindigkeit hat was mit Masse zu tun«, lautete Tante Abigails abschätziges Urteil. Abigail war eine kräftige Frau, vor allem um die Hüften, und wirkte in Skihose eher schwerfällig denn sportlich.
 »Deine Mom war so ein kleines Ding, Adam«, teilte mir Tante Martha voller Verachtung mit. »Als Abfahrtsläuferin muss man 
 mehr wiegen, als sie je auf die Waage gebracht hat. Ray war eindeutig Slalomfahrerin. Sie ist so eine, die mit einer Sache genug hat.«
 »Sie war einfach nicht schwer genug!«, verkündete meine Großmutter in regelmäßigen Abständen; bei diesen spontanen Ausbrüchen reckte sie die geballten Fäuste gen Himmel, so als würde sie höhere Mächte dafür verantwortlich machen.
 Die Brewster-Mädchen, auch

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