Author/Uploaded by Reinhard Bingener
Reinhard BingenerMarkus Wehner Die Moskau-Connection Das Schröder-Netzwerk und Deutschlands Weg in die Abhängigkeit C.H.Beck Zum Buch In den Jahren vor der russischen Invasion der Ukraine hat sich Deutschland von russischem Gas immer abhängiger gemacht. Wie konnte es dazu kommen? Welche Rolle spielte dabei Gerhard Schröder als SPD-Bundeskanzler und späterer Gas-Lobbyist mit seinem weitverzweigten...
Reinhard BingenerMarkus Wehner Die Moskau-Connection Das Schröder-Netzwerk und Deutschlands Weg in die Abhängigkeit C.H.Beck Zum Buch In den Jahren vor der russischen Invasion der Ukraine hat sich Deutschland von russischem Gas immer abhängiger gemacht. Wie konnte es dazu kommen? Welche Rolle spielte dabei Gerhard Schröder als SPD-Bundeskanzler und späterer Gas-Lobbyist mit seinem weitverzweigten Netz in Politik und Wirtschaft? Warum schlug CDU-Kanzlerin Angela Merkel keinen weitsichtigeren Kurs ein? Welche geschäftlichen und politischen Verbindungen, aber auch welche wirtschaftlichen und strategischen Interessen führten dazu, dass Deutschland auf Putin setzte, obwohl er schon vor seinem Überfall auf die Ukraine Kriege geführt, die Opposition ausgeschaltet und Freiheits- und Menschenrechte missachtet hatte? Die FAZ-Korrespondenten Reinhard Bingener und Markus Wehner decken auf der Grundlage intensiver Recherchen die Moskau-Connection der deutschen Politik auf und zeigen, wie es zur vielleicht größten Fehleinschätzung der deutschen Außenpolitik nach 1949 kam. Über die Autoren Reinhard Bingener schreibt seit 2008 für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung». Seit 2014 berichtet der evangelische Theologe als Korrespondent aus Hannover. Markus Wehner ist Korrespondent der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» in Berlin und berichtet über die Bundespolitik, insbesondere die SPD. Der promovierte Osteuropahistoriker war von Oktober 1999 an fünf Jahre lang Korrespondent der Zeitung in Moskau und schreibt seitdem immer wieder über russische und osteuropäische Themen. Inhalt Vorwort 1 Hannover – Gerhard Schröder und die Entstehung seines Netzwerks Der Aufsteiger Die Freunde Die Strukturen 2 Moskau – Putin, Gas und Krieg Der Geheimdienst an der Macht Energie als Waffe Krieg von Anfang an 3 Entspannungspolitik – Die Ausbeutung eines sozialdemokratischen Mythos Die Ostpolitik wird repressiv Die Nähe zur SED Antiamerikanismus in der SPD 4 Pipelinegeschäfte – Der treue Lieferant Vom Stadtgas zum Erdgas Wiedervereinigung, Liberalisierung, Energiewende Der Gashahn im Kreml 5 Illusion einer Partnerschaft – Die Russlandpolitik 1998–2013 Putins Operation Schröder Steinmeiers Wandel durch Verflechtung Schröders Business Case Merkel und die Moskau-Liebe der Union Party mit Platzeck 6 Toxische Beziehung – Die Russlandpolitik 2013–2021 Hannover wird wieder rot Annexion? Die SPD bleibt entspannt Nord Stream 2 und Deutschlands naive Gaspolitik Moskau attackiert den Westen Spenden, Delegationen und schöne Titel Russland-Streit in der SPD und der Fall Nawalny Schwesig und die Fake-Stiftung Kunst, Konsuln und ein Friedensnobelpreis für Putin 7 «Er hat uns alle getäuscht» – Nach dem Überfall Fazit: Signale der Schwäche Dank Literatur Anmerkungen 1 Hannover 2 Moskau 3 Entspannungspolitik 4 Pipelinegeschäfte 5 Illusion einer Partnerschaft 6 Toxische Beziehung 7 «Er hat uns alle getäuscht» Register Karte Abbildungsnachweis Vorwort Neun Tage vor Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine fliegt Olaf Scholz nach Moskau. Die Reise am 15. Februar 2022 ist ein letzter Versuch des deutschen Kanzlers, den bevorstehenden Krieg abzuwenden. Doch das Gespräch an Putins sechs Meter langem Tisch im Kreml verläuft frostig. Auf der anschließenden Pressekonferenz wird Putin nach Gerhard Schröder gefragt, denn der ehemalige Kanzler ist kurz zuvor für einen Aufsichtsratsposten bei Gazprom nominiert worden. Putin antwortet, dass man sich «nur darüber freuen» könne, wenn Schröder in das Gremium einzieht. «Der deutsche Bürger soll in seine Geldbörse gucken», rät Putin. Die Deutschen hätten Grund, dem SPD-Politiker für ihr billiges Gas dankbar zu sein. «Denn das ist das Ergebnis seiner Arbeit. Das ist sein Ergebnis.» Seit dem Angriff auf die Ukraine dürften die Deutschen beim Blick ins eigene Portemonnaie inzwischen zu einem anderen Urteil gelangen als Putin. Denn Deutschland zahlt für seine Abhängigkeit von russischem Gas nun auch monetär einen hohen Preis. Welche Rolle spielte Gerhard Schröder auf dem Weg in diese Abhängigkeit? Die Äußerungen Putins legen nahe, dass sein Beitrag zumindest aus Sicht des Kremls entscheidend war. Dieses Buch will erklären, wie Deutschland in diese Abhängigkeit geriet. Und warum die deutsche Politik mit so großer Naivität auf das Herrschaftssystem Putins blickte. Die Autoren halten beides zusammengenommen für den größten Fehler der deutschen Außenpolitik seit Gründung der Bundesrepublik. Wie konnte es dazu kommen, dass Deutschland trotz der Krim-Annexion und des Krieges in der Ostukraine seine Abhängigkeit von russischem Gas noch steigerte? War die Bundesregierung von Blindheit geschlagen? Wir wollen zeigen, dass ein einflussreiches Netzwerk an diesen Fehlern einen bedeutenden Anteil hatte, in dessen Mittelpunkt Gerhard Schröder steht. Sein Einfluss endete nicht mit seinem Auszug aus dem Kanzleramt im Jahr 2005. Denn danach konnte Schröder seine Rollen fast beliebig wechseln und politische und wirtschaftliche Belange vermischen. Er nutzte weiter seine Kontakte und seinen innerparteilichen Einfluss, um vom Rücksitz aus zu steuern. Zu seinem Netz zählten nicht nur deutsche Sozialdemokraten, sondern auch Manager, Unternehmer, ausländische Politiker sowie Personen mit dubioser Vergangenheit. Die Spanne reicht von Gipfeltreffen großer Staatenlenker bis zu diskreten Zusammenkünften, von den zweistelligen Milliardensummen, die im europäischen Gasgeschäft bewegt werden, bis zu Geldströmen mit einigen Nullen weniger, die aber trotzdem bedeutsam sind. Es geht um wichtige Ämter, politische Ideale, schöne Bilder, hochtrabende Titel und schönfärberische Bücher. Gerhard Schröder und sein Netz waren für die Fehler der deutschen Energie- und Außenpolitik allerdings nicht allein verantwortlich. Für ein vollständiges Bild wären weitere Aspekte einzubeziehen. Die Russlandpolitik der Unionsparteien und der Bundeskanzlerin Angela Merkel werden von uns kurz behandelt. Insbesondere zu den ostdeutschen CDU-Landesverbänden sowie der CSU wäre aber noch mehr zu schreiben. Die Regulatorik der EU, der Umbau der Energieversorgung sowie die verteidigungspolitischen Fragen kommen nur kursorisch zur Sprache; alles andere würde den Rahmen dieses Buches sprengen. Für dieses Buch haben wir zahlreiche Gespräche geführt. Wir danken den Gesprächspartnern für ihre Bereitschaft und ihre Offenheit. Nicht alle wollen namentlich genannt werden; dieses Anliegen respektieren wir. Wir konnten uns zudem auf Recherchen für ältere Artikel stützen. Oft bilden auch die Berichte unserer Kolleginnen und Kollegen der FAZ und von Journalistinnen und Journalisten anderer Medien die Grundlage. Ihnen gilt unser ausdrücklicher Dank. Schon an dieser Stelle lässt sich sagen: In den deutschen Medien herrschte in den vergangenen 20 Jahren kein Mangel an fundierter Berichterstattung zur deutschen Russland- und Energiepolitik. Beinahe sämtliche Probleme wurden klar und frühzeitig benannt. Die Aussage, Putin habe «alle» getäuscht, ist nicht wahr. Zwei Anmerkungen: Für die bessere Lesbarkeit haben wir das Buch fast durchgehend im Präsens geschrieben, auch wenn das Geschehen in der Vergangenheit liegt. Zum heutigen Zeitpunkt können sich bestimmte, im Buch beschriebene