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001 - Die schlafenden Geister des Lake Superior

Author/Uploaded by Ben Aaronovitch


 
 Ben Aaronovitch
 Die schlafenden Geister
 des Lake Superior
 Eine Kimberley-Reynolds-Story
 
 Deutsch von
 Christine Blum
 
 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München
 
 
 
 
 
 
 Für Sabrina und Andreas,
 
 
 die immer für mich da waren,
 
 
 wenn ich sie brauchte.
 
 
 
 
...

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 Ben Aaronovitch
 Die schlafenden Geister
 des Lake Superior
 Eine Kimberley-Reynolds-Story
 
 Deutsch von
 Christine Blum
 
 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München
 
 
 
 
 
 
 Für Sabrina und Andreas,
 
 
 die immer für mich da waren,
 
 
 wenn ich sie brauchte.
 
 
 
 
 
 Proprium humani ingenii est
 
 
 odisse quem laeseris.
 
 
 Es liegt in der menschlichen Natur,
 jene zu hassen, denen man weh getan hat.
 
 Publius Cornelius Tacitus
 
 1
 
 Am Nachmittag des 11. September 2001 rief meine Mama mich im Wohnheim an und flehte mich an, nicht zu den Marines zu gehen. Bis zu ihrem Anruf hatte ich, wie die meisten meiner Mitbewohnerinnen, den Tag damit verbracht, ungläubig und wie betäubt auf den Fernseher zu starren. Aber meine Mama dachte schon weiter, an den Krieg, den sie unweigerlich auf uns zukommen sah, und sie wollte nicht, dass mein Bruder, der damals in der neunten Klasse war, womöglich auf den Gedanken kam, in die Army einzutreten. Ich rede mir ein, dass Mama klar war, dass ich
 zu vernünftig war, um mich in einem fremden Krieg umbringen zu lassen. Manchmal glaube ich es sogar.
 Sie ließ mich auf meine Bibel schwören, die ich noch nicht mal ausgepackt hatte.
 An jenem Abend betete ich zu Jesus, er möge mich leiten, und er muss mich wohl getröstet haben, denn gegen Morgen schlief ich ein, und in der nächsten Woche ging ich wie gewohnt zu meinen Vorlesungen. Sobald der Schock sich gelegt hatte, kehrte ich wie die meisten anderen zum normalen Leben zurück.
 Viele Leute wären wahrscheinlich erstaunt zu hören, dass die Mehrheit der späteren FBI
 -Agenten, wenn sie mit der Schule oder sogar dem College fertig sind, noch keineswegs den Plan haben, zum Geheimdienst zu gehen. Das liegt daran, dass das FBI
 am liebsten Personen einstellt, die, um es im modernen Management-Jargon auszudrücken, eigenständig arbeiten können, oder, wie Mama es ausdrückt: Erwachsene. Das FBI
 sucht Leute, die eine Ausbildung und Lebenserfahrung und idealerweise nützliche Fähigkeiten mitbringen. Sollten Sie mit dem Gedanken spielen, zum FBI
 zu gehen, arbeiten Sie erst mal eine Weile in einem MINT
 -Beruf, dann werden Sie mit Kusshand genommen.
 Ich machte meinen Abschluss in Gesundheitswesen mit Strafrecht im Nebenfach. Im zweiten Semester hatte ich »Theorien kriminellen Verhaltens« belegt, weil ich wissen wollte, wie eine Bande gut ausgebildeter junger Männer auf die Idee kommen konnte, ein Flugzeug in einen Wolkenkratzer zu steuern – und das Seminar war dann der Auslöser für mein Interesse an der Materie.
 Nach dem College wurde ich vom Fleck weg von einer Krankenversicherung angeheuert, genau wie es mein Karriereplan vorsah, und zwar für ihre Betrugsabteilung; von dort aus war es ein Katzensprung zur Leitung eines Ermittlungsteams einer Agrarversicherung. Mit eigenem Büro und eigenem Parkplatz auf dem Firmengelände.
 Aber irgendwann begann mir das alles so kleinkariert vorzukommen.
 Außerdem setzte meine Mama sich in den Kopf, ich würde im Namen liberaler Eliten und Großkonzerne anständige, hart arbeitende Menschen schikanieren. Das Wort »woke« war damals noch nicht an ihre Ohren gedrungen, und ich werde es meinem Bruder ewig nachtragen, dass er damit ankam. Hätte ich ihn mal zur Air Force gehen lassen, wie er damals gedroht hatte. Jetzt ist er Prediger in der Gemeinde meiner Mama und über jede Kritik erhaben.
 Die Idee, mich als Special Agent zu bewerben, beschlich mich irgendwann zwischen dem Fall des Traktors, der einer spontanen Selbstentzündung zum Opfer fiel, und den Kühen, die Paris, Arkansas, auffraßen.
 Ich sagte meiner Mama, Jesus habe mich zum FBI
 geleitet. Als sie fragte, warum, sagte ich, man dürfe doch den Willen des HE
 rrn nicht in Frage stellen. Sie bedachte mich mit einem komischen Blick – man sollte Leute wie meine Mama niemals für dumm halten –, aber dann machte sie mir einen Pfirsichauflauf, der nicht zu toppen war, und gab mir ihren Segen.
 Wer weiß, vielleicht hat Jesus tatsächlich zu meinem Herzen gesprochen; das hieße, dass London, die Magie, die sprechenden Bären und alles andere auch zu Seinem Plan gehörten. Mama sagt mir schließlich, seit ich denken kann, dass Gott uns permanent Botschaften schickt, nur überhören wir sie oft, weil uns der Lärm unseres alltäglichen Lebens dazwischenkommt. Sie sagt, wir sollten Jesus die Telefonzentrale unserer Seele sein lassen und stets bereit sein, Seinen Anruf entgegenzunehmen.
 Aber ich glaube, selbst Jesus hätte seine liebe Mühe mit den Tausenden ungebetener Anrufe, die täglich in der Telefonzentrale des FBI
 eingehen … und von denen ein kleiner, aber nicht unbedeutender Anteil darum bittet, zu den »X-Akten« durchgestellt zu werden. All diese Anrufe werden protokolliert, aufgezeichnet und überprüft, selbst die von Leuten, die glauben, die Regierung würde von außerirdischen Echsenwesen kontrolliert. Vermutlich vor allem die – könnte ja sein, dass der Anrufer zu der Sorte Irrer gehört, die zwei Tonnen düngerbasierten Sprengstoff im Keller haben und nur darauf warten, sie zum Einsatz zu bringen.
 Den Weizen von der Spreu zu trennen ist ziemlich zeitaufwändig. Daher war es bereits Montagmorgen, als mich die Nachricht von Ex-Agent Patrick Henderson per E-Mail über den Sicherheitsserver an meinem Arbeitsplatz in der Critical Incident Response Group erreichte.
 Die Mail kam von Jan, Assistent* meines Chefs, des Stellvertretenden Direktors der CIRG
 Lane Harris, und enthielt die Aufforderung, um 9.30 Uhr zu einer Besprechung in dessen Büro zu erscheinen, sowie zu Referenzzwecken ein Transkript des Telefonats.
 Die Besprechung war schon in einer Viertelstunde, zum Glück war das Transkript kurz.
 Der Anrufer hatte sich, sobald er mit einem echten Menschen verbunden worden war, als Patrick Henderson, ehemaliger FBI
 -Agent, wohnhaft in Eloise, Wisconsin, vorgestellt.
 
 
 ZENTRALE
 : Wie kann ich Ihnen helfen, Mr. Henderson?
 
 
 
 ANRUFER
 : Geben Sie eine Nachricht in den Keller weiter – ich weiß nicht, wer da momentan die Leitung hat. Sagen Sie ihnen, hier entwickelt sich möglicherweise gerade ein X
 -RAY
 SIERRA
 INDIA
 . Genaue Informationen gebe ich dem Einsatzteam persönlich, wenn es kommt.
 
 
 
 ZENTRALE
 : Entschuldigung, Sir, ich weiß nicht genau, was Sie …
 
 
 
 ANRUFER
 : Nein, Sie wissen nicht,

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