Author/Uploaded by Nina George
Nina George Das Bücherschiff des Monsieur Perdu Roman Knaur eBooks Über dieses Buch Vier Jahre sind vergangen, seit der Buchhändler Jean Perdu sein Bücherschiff, die »Pharmacie Littéraire« verließ, und den Aufbruch in eine neue Liebe mit der Bildhauerin Catherine in der Provence wagte. Doch die i...
Nina George Das Bücherschiff des Monsieur Perdu Roman Knaur eBooks Über dieses Buch Vier Jahre sind vergangen, seit der Buchhändler Jean Perdu sein Bücherschiff, die »Pharmacie Littéraire« verließ, und den Aufbruch in eine neue Liebe mit der Bildhauerin Catherine in der Provence wagte. Doch die in einer Zeitkapsel aufbewahrte letzte Bitte des Schriftstellers José Saramago an Monsieur Perdu lockt ihn zurück, in das Herz seiner Leidenschaft: Bücher und Menschen zusammen zu bringen, und für jede Seelen-Maladie die wirksamste Lektüre zu empfehlen. Auf der gemeinsamen Reise mit Max Jordan über die Kanäle Frankreichs nach Paris wird das Bücherschiff des Monsieur Perdu bald zu einer Arche, auf der sich Menschen, Kinder, Tiere – und Bücher! – begegnen, die einander für immer verändern. Und das große Abenteuer Leben hält für jeden von ihnen einen zweiten Anfang bereit – auch für Monsieur Perdu … Inhaltsübersicht Widmung Motto Kapitel 1 Kapitel 2 Kapitel 3 Kapitel 4 Kapitel 5 Kapitel 6 Kapitel 7 Kapitel 8 Kapitel 9 Kapitel 10 Kapitel 11 Kapitel 12 Kapitel 13 Kapitel 14 Kapitel 15 Kapitel 16 Kapitel 17 Kapitel 18 Kapitel 19 Kapitel 20 Kapitel 21 Kapitel 22 Kapitel 23 Kapitel 24 Kapitel 25 Kapitel 26 Kapitel 27 Kapitel 28 Kapitel 29 Kapitel 30 Kapitel 31 Kapitel 32 Kapitel 33 Kapitel 34 Epilog In Freundschaft für Claus Cornelius Fischer. Und du hattest recht: Eines Tages kommt der Moment, da das Schreiben zurückkehrt. Für Tong. Du warst unser Licht. Unsere Freude. Wir sind voller Liebe und Schrecken. Du fehlst, überall. Was sonst ist das Buch, als ein Labyrinth, in dem man unverhofft auf sich selbst trifft? * * Und wie oft man wohl aus Liebe etwas verschweigt, als aus Liebe etwas zu sagen? Kapitel 1 O ft, wie eben jetzt, saß Jean Perdu in der Sommerküche des mas, zerpflückte Rosmarin und Lavendelblüten, roch mit geschlossenen Augen an diesen innigsten aller Provencedüfte und arbeitete an der Großen Enzyklopädie der Kleinen Gefühle . Unter K trug er gerade ein: »Küchentrost. Das Gefühl, während auf dem Herd etwas Köstliches vor sich hin simmert, die Scheiben beschlagen und die Geliebte sich gleich mit dir an den Tisch setzen und dich zwischen zwei Löffeln zufrieden anschauen wird (auch bekannt als: Leben) …«, als er in der Ferne das charakteristische Geräusch eines Scooters hörte, der tapfer und entschlossen im ersten Gang den steilen Hang in Angriff nahm. Gleichzeitig klingelte das Telefon. Sie waren hier in den Bergen der Drôme so weit ab von der eilenden Welt, dass die Briefträgerin Francine Bonnet zehn Minuten zu ihnen herauf brauchte, auf ihrem gelben Roller der La Poste. Und sie kam nur, wenn sie Pakete brachte, die nicht in den Briefkasten unten im Tal passten. Er hatte folglich Zeit, ans Telefon zu gehen; er kannte die Nummer aus Paris. »Madame Gulliver«, sagte er in den Hörer. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, und Sie bekommen Post von José Saramago«, antwortete sie statt einer Begrüßung. »Der Geburtstag ist morgen, und es würde mich wundern, wenn Monsieur Saramago mir schrübe. Er ist zurzeit leider tot.« »Ach, schrübe, Rübe! Das konnte ihn offenbar nicht davon abhalten, Ihnen zu schreiben!« Bitte sehr, dachte Perdu, in der Ewigkeit des Todes hat die Zeit keine Bedeutung mehr, folglich werden Tote auch nicht älter und können selbstverständlich noch Briefe schreiben. »Und was schreibt Monsieur Saramago?« »Sie werden zur Geheimhaltung verpflichtet. Niemand darf von Ihnen erfahren, dass es nach Stadt der Blinden und Stadt der Sehenden eine Fortsetzung gibt: Stadt der Träumer .« »Aha. Das mit der Geheimhaltung hat ja offenbar ganz prima geklappt.« »Wieso, Sie haben es mir doch gar nicht erzählt, Monsieur Perdu. Möchten Sie wissen, was noch in dem Brief steht?« »Sie meinen, in dem Brief, der an mich persönlich adressiert ist? Ja, das wäre ganz reizend.« Für Ironie war Claudine Gulliver mindestens genauso unempfänglich wie für Melancholie. Perdus Nachbarin in Paris liebte das Leben inniglich, sie durchklackerte es tänzelnd auf ihren bunten, hochhackigen Pantoletten, griff beherzt nach Lust und Zerstreuung, gab ungebeten Wärme und Großzügigkeit. Und liebte es, gut informiert zu sein. Vor allem, was ihre Nachbarn der Rue Montagnard No 27 , Paris, und jenen kostbaren Rest der Welt anging, der sie ebenso nichts anging. Neben ihren Vorlieben für papageienbunte Absatzschuhe und galante Liebhaber hatte sich Madame Gulliver in den vergangenen Jahren die Angewohnheit zugelegt, Monsieur Perdus Post anzunehmen und das, was ihrer Ansicht nach nicht allzu privat erschien, selbstverständlich zu lesen, bevor sie es in die Drôme weitersandte. Über die Feingranulation von »nicht allzu privat« sollte er sich womöglich doch noch mal mit ihr unterhalten, wenn er das nächste Mal nach Paris kam, um seine zunehmend wackeligeren Eltern zu besuchen. Auf der anderen Seite: Claudine Gulliver war die Verbündete, die er brauchte, um die Schätze vergangener Zeiten zu heben: Manuskripte. Manchmal kam es dazu, dass einst berühmte Schriftstellerinnen und Autoren an einen Punkt im Leben gelangten, wo es über sie hieß: »Sie war mal gut … in seinen jungen Jahren war er überragend …«, und eines Tages wurden sie nicht mehr nachgedruckt und verschwanden aus den Läden, aus dem kollektiven Lese-Gedächtnis, ihre Arbeit wurde unsichtbar. Aber das Leben war noch lang, und der Kontoauszug bedrückend, die Kinder oder Enkel hatten Pläne, es musste folglich Geld her. Und da versetzten die Autoren etwas Kostbares: ihre Vorläufermanuskripte. Die ungekürzten, unlektorierten Schriften, mal handschriftlich, mal schreibmaschinengetippt, mal ausgedruckt und mit unleserlichen Anmerkungen versehen, denen man anlas,